Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.950

Diagnostische Ansätze bei Internetnutzungsstörungen: Neue Entwicklungen (S25)

Vergleich eines standardisierten und eines klinischen Interviews zur Erfassung von Internetnutzungsstörungen

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Dominique Brandt (Universität zu Lübeck, Lübeck), Lisa Hohls (Universität zu Lübeck, Lübeck), Hannah Jörren (Universität zu Lübeck, Lübeck), Hans-Jürgen Rumpf (Universität zu Lübeck, Lübeck)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Für Internetnutzungsstörungen werden selten diagnostische Interviews eingesetzt, sondern stattdessen Screeninginstrumente verwendet. Standardisierte Interviews sind für unerfahrene Anwender einfacher und insgesamt zeiteffizient einsetzbar. Es ist jedoch unklar, ob die Qualität der dadurch gewonnen Daten mit der eines klinischen Interviews vergleichbar ist. Ziel der Arbeit ist, die Vergleichbarkeit eines standardisierten Diagnoseinstruments für Internetnutzungsstörungen mit einem klinischen Interview zu prüfen.


Methoden
Die Datenerhebung fand im Rahmen der Studie „Screening für Internetnutzungsstörungen“ (SCINS) statt. Mit 378 Studienteilnehmenden wurden telefonische Interviews geführt, bei denen ein Adaptives Strukturiertes klinisches Interview zu Internetnutzungsstörungen (AICA-SKI:IBS) durchgeführt wurde. Anschließend wurde eine standardisierte Diagnostik basierend auf der Struktur des Composite International Diagnostic Interview (CIDI) durchgeführt. Für beide Interviewteile wurden Diagnosekriterien für Internetnutzungsstörungen nach DSM-5 gebildet. Als Maß der Übereinstimmung zwischen beiden Diagnoseverfahren und den erhobenen Diagnosekriterien wurde Cohen‘s Kappa ermittelt.


Ergebnisse
Sechs der neun Diagnosekriterien zeigen entsprechend der Konvention von Landis und Koch eine mäßige Übereinstimmung (?=0,235-0,384) zwischen den beiden Diagnoseverfahren. Die drei weiteren Kriterien konnten als moderat bewertet werden (?=0,402-0,545). Eine moderate Übereinstimmung zeigt auch die Klassifikation für Internetnutzungsstörungen (mind. 5 Kriterien) durch die beiden Diagnoseverfahren (?=0,470). Die Anzahl der insgesamt erfüllten DSM-5-Kriterien zeigt jedoch eine gute Übereinstimmung (ICC=0,693; M-Standisiert=3,87; SD-Standardisiert=2,4; M-Klinisch=2,48; SD-Klinisch=2,3).


Diskussion und Schlussfolgerung
Die Daten weisen auf einen Unterschied zwischen klinischer und standardisierter Diagnostik von Internetnutzungsstörungen hin. Die Nutzung von vollstandardisierten Verfahren kann in der Praxis zur Fallfindung auch von Laien gut eingesetzt werden, ersetzt jedoch nicht eine vollständige klinische Diagnostik durch Fachpersonal.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: BMG

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Brandt, D., Hohls, L., Jörren, H., & Rumpf, H.-J. (2023). Vergleich eines standardisierten und eines klinischen Interviews zur Erfassung von Internetnutzungsstörungen. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.950