Die Aufhebung der Spielersperre im GlüStV 2021- Selbstbestimmung oder Rückschritt für den Spielerschutz? Ergebnisse einer retrospektiven Datenauswertung psychometrischer Merkmale von Glücksspieler:innen mit Entsperrwunsch

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Die Spielersperre zählt weltweit zu den etablierten Maßnahmen des selektiven und indizierten Spielerschutzes im terrestrischen und Online-Glücksspiel. Als zentraler Bestandteil einer umfassenden Public-Health-Strategie zur Prävention und Schadensminimierung glücksspielbezogener Folgeschäden fördert sie die Verbesserung der psychosozialen Funktionsfähigkeit und reduziert glücksspielbezogene Belastungen. Während die Effekte der Spielersperre empirisch gut belegt sind, ist nur wenig über psychometrische Merkmale und glücksspielbezogene Belastungen von Personen mit Entsperrwunsch bekannt. Die Aufhebung der Spielersperre war bis 2021 streng reglementiert und erforderte eine Begutachtung der aktuellen Spielsuchtgefährdung. Dahingegen können sich gesperrte Glücksspieler*innen seit Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags auf Antrag beim Regierungspräsidium Darmstadt entsperren lassen, eine Begutachtung hinsichtlich aktueller glücksspielbezogener Symptombelastung ist nicht mehr vorgesehen. Aus suchtpräventiver Perspektive stellt sich damit die Frage, ob problematische und pathologische Glücksspieler:innen nach Aufhebung der Spielersperre bei erneuter Teilnahme an Glücksspielangeboten ausreichend vor einem Rückfall und erneutem Kontrollverlust geschützt sind.

Methoden
Im Rahmen des Symposiums werden Ergebnisse einer retrospektiven, anonymisierten Datenauswertung psychometrischer Merkmale aus 184 Begutachtungen von Personen mit Entsperrwunsch vorgestellt. Die Gesamtstichprobe wurde anhand des DSM-IV basierten Berliner Inventars zur Erfassung des Glücksspielverhaltens (BIG-S) in die drei Gruppen unproblematisches Glücksspielverhalten, riskantes Glücksspielverhalten und problema-tisch/pathologisches Glücksspielverhalten kategorisiert. Mittels Varianzanalysen wurden die mittleren Skalenwerte der psychometrischen Testverfahren und der Ausprägung der Glücksspielproblematik (BIG-S) analysiert und verglichen.

Ergebnisse
Obgleich der Anteil von Personen mit Entsperrwunsch mit einem problematisch/pathologischen Glücksspielverhalten über die Lebensspanne gering ist, ergeben sich signifikante Unterschiede zwischen den drei Gruppen: Je ausgeprägter die glücksspielbezogene Symptombelastung, desto höher sind glücksspielbezogene dysfunktionale Einstellungen und kognitive Verzerrungen, manische Symptome sowie die psychische und psychosomatische Symptombelastung.

Diskussion und Schlussfolgerung
Die Aufhebung der Spielersperre steht im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und staatlicher Regulierung.
Personen mit Wunsch auf Wiederaufhebung der Spielersperre mit einer Glücksspielproblematik unterscheiden sich in der Ausprägung psychometrischer Merkmale.
Vor allem problematisch/pathologische Glücksspielerspieler:innen mit Entsperrwunsch profitieren möglicherweise von einem niedrigschwelligen Beratungsgespräch vor einer erneuten Glücksspielteilnahme.

Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.

Erklärung zur Finanzierung: Eigenmittel der Einrichtung