Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.875

State of the Art: Was wissen wir über Internetnutzungsstörungen? (S05)

Computerspielstörung

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Hans-Jürgen Rumpf (Universität zu Lübeck, Lübeck)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Die Computerspielstörung (CSS; Gaming Disorder) wurde erstmals in der fünften Revision des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen (DSM-5) als Forschungsdiagnose aufgenommen und ist in der elften Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) als neue Verhaltenssucht integriert. Neben der klinischen und Public-Health-Relevanz sprach für die Aufnahme in die ICD-11 die empirische Evidenz in Bezug auf psychologische Prozesse und Mechanismen, die bei Suchterkrankung bekannt sind. Die zugrundeliegenden Mechanismen bieten neben der Erforschung der Grundlagen dieser Störung auch gleichzeitig die Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze. Der Beitrag gibt dazu einen Überblick zum Stand der Forschung.


Methoden
Auf Basis eines narrativen Reviews werden psychologische Mechanismen in der Entwicklung der CSS sowie aktuelle Ansätze in deren Diagnostik und Therapie unter besonderer Berücksichtigung innovativer Ansätze gesichtet.


Ergebnisse
In der Entwicklung und Aufrechterhaltung der CSS sind psychologische Prozesse und Mechanismen wie Reizreaktivität, Craving, reduzierte Inhibitionskontrolle oder kognitiver Bias durch eine Vielzahl von Studien gut belegt. Während insgesamt die Evidenz für therapeutische Interventionen auf Basis kognitiver Verhaltenstherapie an Bedeutung gewinnt, werden aktuell zugrundeliegende Mechanismen für die Entwicklung innovativer Behandlungsansätze genutzt. So weist eine erste Pilotstudien auf die Wirksamkeit eines Approach-Avoidance-Training hin. Eine Intervention auf Basis von Emotional Bias Modification konnte die spielbezogene Kompulsivität reduzieren und führte zu Befunden, die auf eine Restrukturierung der funktionellen Organisation frontostriataler Bahnen und der Aktivität der Insular hindeuten. Im Bereich der allgemeinen Internetnutzungsstörungen liegen erste positive Befunde für die Reduktion der Symptomatik nach einem emotional Working Memory Training vor. Die Klassifikation in der ICD-11 führte zu einer Verbesserung der Diagnostik unter Vermeidung einer Überpathologisierung des Computerspielens und wurde bislang für die Entwicklung von acht neuen Erhebungsinstrumenten auf Basis der dort beschriebenen Kernmerkmale genutzt.


Diskussion und Schlussfolgerung
Auf Basis anerkannter psychologischer Prozesse und Mechanismen werden derzeit innovative Interventionen für die Computerspielstörung erfolgreich getestet. Neue diagnostische Verfahren befinden sich in der Entwicklung, ohne dass derzeit allgemein anerkannte Instrumente vorliegen.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: DFG (FOR 2974; Projekt-Nr.: 411232260)

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Rumpf, H.-J. (2023). Computerspielstörung. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.875