Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2344

Drogentodesfälle verstehen: Was sagt uns die Statistik (nicht)? (S27), ID 2344

Erfassungs- und Klassifikationsprobleme bei der Drogentodesfallerfassung aus forensischer/ toxikologischer Sicht

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Axel Heinemann (Institut für Rechtsmedizin), Stefanie Iwersen-Bergmann (Institut für Rechtsmedizin), Heiko Bergmann (DBDD; Institut für Therapieforschung gGmbH)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Die Registrierung von Drogentodesfällen erfolgt in Deutschland seit Jahrzehnten über die Landeskriminalämter, die standardisiert an das Bundeskriminalamt berichten. Aus forensisch-toxikologischer Sicht ergeben sich diverse Fragen an die Konsistenz der Systematik der Darstellung vor dem Hintergrund der bekannten laboranalytischen Herausforderungen insbesondere durch Neue Psychotrope Substanzen.

Methoden
Es werden Stärken und Schwächen der bundesdeutschen BKA- Erfassung im Hinblick auf die Aussagekraft toxikologischer Daten analysiert.

Ergebnisse
Die bundesdeutsche Erfassung des BKA hat potentiell die Vor- und Nachteile eines Spezialregisters gegenüber den im europäischen Maßstab überwiegend auf medizinischen Klassifikationssystemen beruhenden Registern als Ausschnitt der nationalen Mortalitätserfassung ingesamt.
Ein großes Dilemma bleibt der Anteil von unvollständig aufgeklärten Todesfällen, die allein von kriminalistischen Indizien her eingestuft in die Statistik eingehen. Aber auch bei durch Obduktion und toxikologische Gutachten aufgeklärten Fällen verdient die Betrachtung der Informationslage im Einzelfall und der Weg der Verarbeitung der vorliegenden Informationen hin zur Entscheidung im Einzelfall, ob ein Drogentodesfall nach BKA- Definition vorliegt, eine nähere Betrachtung. Es werden typische Beispiele für definitorische Unsicherheiten hinsichtlich Todesursächlichkeit und Probleme der Interpretation von toxikologischen Gutachten durch am Registrierungsprozess beteiligte Personen aufgezeigt, z.B. bei der Interpretation von Mischkonsumfällen unter Beteiligung von verschreibungsfähigen Medikamenten wie Pregabalin/Gabapentin, die klassische Opioidintoxikationen boostern können.
Die in den letzten Jahren fortschreitende Zentralisierung toxikologischer Spezialanalytik für neu auftretende synthetische Substanzen von hohem epidemiologischem Interesse auf wenige Labore führt im Bereich der Drogenmortalitätstatistik zu Untererfassungen zumindest im Hinblick auf die Vollständigkeit der Datenlage bei Fällen von Mischgebrauch insbesondere unter Beteiligung von z.B. synthetischen Opioiden bzw. Benzodiazepin-Analoga.

Diskussion und Schlussfolgerung
Selbst im Falle vertiefter toxikologischer Analytik ist deren Vollständigkeit im Hinblick auf neue Entwicklungen im Bereich der Neuen Psychotropen Substanzen nicht immer einheitlich zu sehen. Inhomogenitäten der Datenlage je nach technisch- methodischer Verfügbarkeit sowie die fehlende Aussagekraft z.B. bei längeren Überlebensdauern in stationärer Behandlung bleiben Herausforderungen für die Interpretation der Drogentodesfallstatistik.

Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Heinemann, A., Iwersen-Bergmann, S., & Bergmann, H. (2025). Erfassungs- und Klassifikationsprobleme bei der Drogentodesfallerfassung aus forensischer/ toxikologischer Sicht. Deutscher Suchtkongress, 2(1), 2344. https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2344