Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2296
Funktionelle Hirnkonnektivität als transdiagnostischer Prädiktor für Craving bei Substanzgebrauchsstörungen
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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Craving – das intensive Verlangen nach einer Substanz – ist ein zentrales diagnostisches Merkmal bei Substanzgebrauchsstörungen. Connectome Predictive Modeling (CPM), ein datengetriebenes Verfahren, ermöglicht die Vorhersage individueller Verhaltensmerkmale wie Craving auf Basis funktioneller Hirnkonnektivität. Die Identifikation eines solchen Craving-Netzwerks könnte als transdiagnostischer Biomarker dienen und neue Ansätze für diagnoseübergreifende Interventionen eröffnen.
Methoden
Basierend auf den funktionellen Magnetresonanztomographie-Daten während des Ruhezustandes von 78 ProbandInnen mit Substanzgebrauchsstörungen (Cannabis: n = 44, Nikotin: n = 18, Opioide: n = 16) wurde die individuelle Hirnkonnektivität berechnet. Anschließend wurde CPM angewendet, um prädiktive Netzwerke zur Vorhersage des selbst berichteten Craving-Scores zu identifizieren. Die Korrelation zwischen den beobachteten Craving-Scores und den durch CPM vorhergesagten Werten diente als Maß für die Modellgüte. Zur Bewertung der Bedeutung einzelner Hirnregionen für die Modellvorhersage wurden simulierte Läsionsanalysen durchgeführt. Die Generalisierbarkeit des identifizierten Craving-Netzwerks wurde in einer unabhängigen Stichprobe von PatientInnen mit Kokainabhängigkeit (n = 52) getestet.
Ergebnisse
Mithilfe von CPM wurde ein funktionelles Netzwerk identifiziert, dessen Konnektivitätsstärke das Ausmaß des selbstberichteten Cravings signifikant vorhersagte (r = 0.40, p < .001). Die Vorhersagekraft blieb nach Kontrolle relevanter Kovariaten (Alter, Geschlecht, Bildung, Substanzgruppe) bestehen. Zu den für die Vorhersage zentralen Hirnregionen zählten der mediale orbitofrontale Kortex (Brodmann-Areal 13), der laterale präfrontale Kortex (Brodmann-Areal 10) sowie der posteriore cinguläre Kortex (Brodmann-Areal 23). In einer externen Stichprobe bei PatientInnen mit Kokainabhängigkeit konnte die Vorhersagekraft des identifizierten Craving-Netzwerks repliziert werden (r = 0.23, p = .046).
Diskussion und Schlussfolgerung
Die vorliegende Studie zeigt, dass Craving bei Personen mit Substanzgebrauchsstörungen anhand funktioneller Hirnkonnektivität vorhergesagt werden kann. Das identifizierte Netzwerk umfasst Regionen, die an motivationalen, selbstregulatorischen und selbstreflexiven Prozessen beteiligt sind. Die Replikation des Hirnnetzwerks in einer unabhängigen Stichprobe unterstreicht dessen Potenzial als transdiagnostischer Marker. Die Befunde liefern neue Einblicke in die neurobiologischen Grundlagen von Craving und könnten langfristig die Entwicklung personalisierter, diagnoseübergreifender Behandlungsansätze unterstützen.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Die zugrundeliegende Studie wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, FKZ 01ZX1909C und 01ZX2209C [SysMedSUDs]) finanziell gefördert.