Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2294

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Opioide im Routine-Monitoring und Warnsystemen (S16), ID 2294

(K)eine Opioidkrise? Ein Blick auf sinkende Fallzahlen und eine veränderte Klientel in der Deutschen Suchthilfestatistik

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Hanna Dauber (IFT Institut für Therapieforschung), Monika Murawski (IFT Institut für Therapieforschung, München, Deutschland; Kassenärztliche Vereinigung Bayerns), Carla Faßbender (IFT Institut für Therapieforschung), Eva Hoch (IFT Institut für Therapieforschung, München, Deutschland; Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland; Charlotte-Fresenius Universität), Larissa Schwarzkopf (IFT Institut für Therapieforschung, München, Deutschland; Institut für Medizinische Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie, Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland; Pettenkofer School of Public Health, Ludwig-Maximilians-Universität)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Trotz stabiler Prävalenz des Opioidkonsums sind Betreuungen aufgrund opioidbezogener Störungen (OUD) in Deutschland seit Jahren rückläufig. Diese Trendauswertung der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) beleuchtet zentrale Charakteristika der Hilfesuchenden, die in den letzten 15 Jahren wegen OUD Leistungen der ambulanten Suchthilfe in Anspruch genommen haben, sowie Merkmale des Versorgungsgeschehens. Ziel ist es, Erklärungsansätze für den Bedeutungsverlust von OUD abzuleiten und mögliche Implikationen für die Versorgung zu beschreiben.

Methoden
Die Analysen beruhen auf bundesweit an die DSHS übermittelten Daten aus ambulanten Beratungs- und Behandlungsstellen der Jahre 2009 bis 2023. Zur Einordnung der Relevanz von OUD wurde der Anteil an Betreuungszugängen mit Hauptdiagnose „OUD“ an der Gesamtheit der Betreuungszugänge aufgrund illegaler Substanzen im Zeitverlauf bestimmt. Zugleich wurde die Entwicklung von Betreuungszugängen aufgrund eines „polyvalenten Konsummusters“ analysiert. Soziodemographische und klinische Merkmale der Hilfesuchenden mit OUD sowie versorgungsbezogene Merkmale wurden auf Veränderungen im Zeitverlauf untersucht.

Ergebnisse
Unter allen Betreuungszugängen aufgrund illegaler Substanzen hat sich der Anteil an OUD mehr als halbiert (2009: 43%; 2023: 19%). Parallel dazu hat sich der Anteil an Betreuungszugängen aufgrund eines „polyvalenten Konsummusters“ verfünffacht (2009: 2 %; 2023: 11 %). Die Hilfesuchenden mit OUD werden zunehmend älter (Anteil Altersgruppe 55+: 2009: 1 %; 2023: 10%) und zeigen veränderte Konsumgewohnheiten (Anteil mit intravenösem Konsum (Lebenszeit): 2009: 56%; 2023: 34%). Vorerfahrungen mit psychosozialer Begleitbetreuung bei Substitution (PSB) sind insbesondere seit 2018 rückläufig (2009: 51%; 2023: 37%) und Weitervermittlungen sind seltener geworden (2009: 38%; 2010: 28%).

Diskussion und Schlussfolgerung
Die abnehmende Relevanz opioidbezogener Störungen dürfte zumindest teilweise mit einer Verschiebung in die Diagnose „polyvalentes Konsummuster“ und dem Wegfall einer verpflichtenden PSB bei Substitution (seit 2017 lediglich Empfehlungscharakter) erklärbar sein. Veränderungen in der Altersstruktur und den Konsumgewohnheiten deuten zudem darauf hin, dass sich die Population der Hilfesuchenden mit OUD strukturell verändert. Dies könnte mit veränderten Hilfebedarfen und entsprechendem Anpassungsbedarf in der Versorgung einhergehen.

Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Das zugrundeliegende Projekt „Deutsche Suchthilfehilfestatistik“ wird vollständig durch das Bundesministerium für Gesundheit finanziell gefördert.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Dauber, H., Murawski, M., Faßbender, C., Hoch, E., & Schwarzkopf, L. (2025). (K)eine Opioidkrise? Ein Blick auf sinkende Fallzahlen und eine veränderte Klientel in der Deutschen Suchthilfestatistik. Deutscher Suchtkongress, 2(1), 2294. https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2294