Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2285
Interaktionseffekte von frühen Kindheitsbelastungen und Geschlecht auf neuronale Reiz-Reaktivität und Substanzgebrauch bei Personen mit Alkoholgebrauchsstörung
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Copyright (c) 2025 Deutscher Suchtkongress

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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Frühe Kindheitsbelastungen (adverse childhood experiences, ACE) gelten als bedeutende psychosoziale Risikofaktoren für Alkoholgebrauchsstörungen (alcohol use disorder, AUD), wobei zunehmend Geschlechtsunterschiede diskutiert werden [1,2]. Die alkoholbezogene Reiz-Reaktivität (alcohol cue-reactivity, ACR) stellt einen zentralen Mechanismus von AUD dar [3]. Der Zusammenhang zwischen ACE, Geschlecht und ACR ist jedoch noch nicht hinreichend verstanden.
Methoden
Es wurden ACR-Bildgebungsdaten von N = 231 Personen mit AUD (>=2 Kriterien; 40,7% weiblich, M = 39,1 ± 13,48 Jahre) aus einer multizentrischen Kohortenstudie [4] analysiert. Baseline Daten wurden zu ACE mittels Childhood Trauma Screener (CTS) und zu subjektivem Stress mittels Perceived Stress Scale (PSS) erfasst. Prospektive Daten zu Substanzkonsum und Craving wurden im Follow-up von 12 Monaten erhoben (N >= 179). Haupt- und Interaktionseffekte von ACE und Geschlecht wurden mittels gemischter linearer Modelle und Regressionsanalysen untersucht.
Ergebnisse
Frauen mit höheren CTS-Werten zeigten eine stärkere, positive CTS-assoziierte Reiz-induzierte Aktivierung (Alkohol>Neutral) im linken superioren frontalen Gyrus (SFG) und anterioren cingulären Cortex (ACC) (MNI: -16, 28, 30; k = 328; PFWE-korr. = 0.034) verglichen mit Männern. Diese Aktivierung war bei Frauen mit prospektivem Craving (B = 0.624, P = 0.046), bei Männern mit prospektivem Alkoholkonsum (B = 2.072, P = 0.005) assoziiert. Verhaltensdaten zeigten Haupteffekte von CTS auf PSS und prospektives Craving. Geschlechtsspezifisch war CTS bei Männern mit subjektivem Stress, bei Frauen mit prospektivem Craving und Alkoholkonsum assoziiert.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Ergebnisse liefern als erste Studie Beweise zu geschlechtsspezifischer, ACE-assoziierten Aktivierung im linken SFG/ACC in Verbindung mit Substanzkonsum bei AUD. Die Befunde unterstreichen die Notwendigkeit ACE- und geschlechtssensibler Ansätze in der neurobiologischen Erforschung und Behandlung von Substanzkonsum.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Das Projekt wurde vollständig durch die DFG SFB TRR265 finanziert.