Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2250

Psychologische Prozesse und klinische Implikationen im Kontext der Kauf-Shopping-Störung (S48), ID 2250

Individualisierung und Geschlechtersensibilität – Wie können wir die Psychotherapie der Kaufsucht verbessern?

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Tobias Thomas (Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover), Patricia Schaar (Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover), Bjarn-Ove Tetzlaff (Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover), Astrid Müller (Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Geschlechtersensible Ansätze werden zunehmend in der Medizin und Psychotherapie berücksichtigt, z. B. bei frauenspezifischen Symptomen eines Herzinfarkts oder bei Psychotherapie bei Männern mit Ess- und Gewichtsstörungen. Auch die Idee einer individualisierten Psychotherapie erhält vermehrt Aufmerksamkeit. Dieser Beitrag möchte Anregungen geben, wie bewährte Gruppentherapiekonzepte durch individualisierte Therapiemodule ergänzt werden könnten.

Methoden
Es wurde eine narrative Übersicht relevanter Literatur erstellt.

Ergebnisse
Neben affektiven und kognitiven Suchtprozessen tragen auf individueller Ebene vor allem materielle Werteorientierung und Selbstwertprobleme als generelle Risikofaktoren zu Kaufsucht bei. Einzelne Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass bei Männern und Frauen verschiedene psychosoziale Variablen eine unterschiedlich starke Rolle spielen könnten. So scheinen bei Frauen Selbstwertprobleme stärker mit Kaufsucht verbunden zu sein als bei Männern. Kaufsucht könnte bei Männern besonders stark mit pathologischem Horten verbunden sein, exzessives Kaufen könnte durch Männer eher als ein Sammeln angesehen werden. Auch die Funktionalität der bevorzugten Waren unterscheidet sich (Frauen: emotional-expressiv, Männer: funktional, instrumentell). Weitere individuell unterschiedlich wirksame Faktoren sind die soziale oder finanzielle Lage (Privatinsolvenz, Schulden etc.), mit Kaufen regulierte Befindlichkeiten, Komorbiditäten, Modalitäten des Kaufens (primär oder ausschließlich online vs. Mischform), delinquentes Verhalten (z. B. Betrugsdelikte). Anhang dieser Faktoren könnten die schon bestehenden Psychotherapieinhalte individualisiert werden. Dafür könnte ein modulares Konzept mit allgemeinen Gruppentherapiemodulen und individuell ausgewählten Zusatzmodulen für ergänzende Einzelsessions genutzt werden.

Diskussion und Schlussfolgerung
Die Idee, bewährte Psychotherapiekonzepte um geschlechtersensible und individualisierte Module zu ergänzen, könnte auch für die Behandlung von Patient:innen mit Kaufsucht interessant sein. Dafür ist eine Evaluation des Mehrwerts dieser Module notwendig. Zusätzlich sollten auch neurokognitive Interventionen (z. B. kognitive Trainings) erforscht werden, um weitere Augmentationen für die schon bewährten Psychotherapiekonzepte zu generieren. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei auch zu verstehen, warum bzw. wie die mit diesen Elementen augmentierte Psychotherapie (besser) wirkt.

Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Die Arbeit aller Autor:innen außer Bjarn-Ove Tetzlaff an diesem Artikel erfolgte im Rahmen der DFG-Forschungsgruppe zu affektiven und kognitiven Mechanismen spezifischer Internetnutzungsstörungen (FOR2974, 411232260).

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Thomas, T., Schaar, P., Tetzlaff, B.-O., & Müller, A. (2025). Individualisierung und Geschlechtersensibilität – Wie können wir die Psychotherapie der Kaufsucht verbessern?. Deutscher Suchtkongress, 2(1), 2250. https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2250