Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2249
Zielgerichtetes und habituelles Verhalten in einer Planungsaufgabe bei Alkoholabhängigkeit
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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Die Gewohnheitstheorie der Sucht beschreibt einen Übergang von zielgerichtetem Verhalten hin zu rigiden, kontextunabhängigen Gewohnheiten, die eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung des Substanzkonsums und bei Rückfällen spielen. Aufbauend auf diesem theoretischen Modell untersuchen wir drei kognitive Prozesse, die bei Alkoholabhängigkeit potenziell verändert sind: die Fähigkeit zur zielgerichteten Planung, den Erwerb von Gewohnheiten und den adaptiven, kontextabhängigen Wechsel zwischen zielgerichtetem und habituellem Verhalten.
Methoden
Wir entwickelten eine sequenzielle Planungsaufgabe, in der Teilnehmende dreistufige Handlungssequenzen zur Belohnungsmaximierung ausführen. Zwei über Hintergrundfarben unterscheidbare Kontexte wechseln sich zufällig ab: Im zielgerichteten Kontext ist flexibles, vorausplanendes Verhalten erforderlich. Im Gewohnheitskontext bleibt die optimale Verhaltenssequenz während der Trainingsphase konstant, wodurch Gewohnheitsbildung begünstigt wird. In der späteren Degradationsphase wird die gelernte Sequenz durch eine andere optimale Sequenz ersetzt, wodurch die Beibehaltung bzw. Änderung der erlernten Gewohnheit untersucht werden kann. Das Entscheidungsverhalten wird mittels eines Bayesschen Modells kontextueller Kontrolle analysiert, welches individuelle Unterschiede in Planung, Gewohnheitsnutzung und Kontextinferenz quantifiziert.
Ergebnisse
Wir führten eine Pilotstudie mit 32 gesunden Teilnehmenden durch. Es zeigte sich in der Trainingsphase, dass die Probanden im Gewohnheitskontext geringere Reaktionszeiten aufwiesen und sich häufiger optimal verhielten als im zielgerichteten Kontext. In der Degradationsphase stiegen die Reaktionszeiten im Gewohnheitskontext deutlich an, was auf die Anforderung zur Verhaltensanpassung hinweist.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die Kombination aus experimenteller Aufgabe und modellbasierter Analyse erlaubt eine differenzierte Erfassung zentraler kognitiver Prozesse bei Alkoholabhängigkeit. Eine klinische Validierung mit 100 stationär behandelten Personen mit Alkoholabhängigkeit und 100 gesunden Kontrollen ist geplant. Ziel ist die Entwicklung computergestützter Marker zur differenzierten Diagnostik und Therapiepersonalisierung.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Diese Forschung wurde durch die Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert: DFG-Projektnummern 402170461 (TRR 265) und 454245598 (IRTG 2773).