Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2229
Unter welchen Bedingungen können wir aus empirischen Daten sinnvolle Vorhersagen treffen?
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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Der unbegründete Schluss von Assoziationen auf Kausalität wird oft als „Cum-hoc-Fehlschluss“ bezeichnet. Das ist jedoch irreführend, da es sich, wie Michotte (1982) betont, im Alltag nicht um einen bewussten Schluss handelt, sondern um eine unmittelbare Wahrnehmungserfahrung. Kausalität wird dabei, im Sinne eines Gestaltphänomens, direkt erlebt, vergleichbar mit der Wahrnehmung einer Farbe wie blau. Kahneman (2012) nennt dieses Phänomen „Kausalitätsillusion“ und Kriz et al. (1990) weisen darauf hin, dass wir zu reinen, uninterpretierten Beobachtungen nur gelangen können, wenn wir unsere unmittelbaren Erfahrungen durch eine bewusste, analytische Leistung auf Grundlage von Wissen hinterfragen, also dekonstruieren. Das ist besonders relevant für Anwendungsfelder, wie die Suchtprävention, wo durch Maßnahmen gezielte Effekte erzielt werden sollen.
Methoden
Auf Grundlage einer Analyse wissenschaftlicher Texte zu Risiko- und Schutzfaktoren wurde die implizite Bedeutungsstruktur dieser Begriffe untersucht, unterschiedliche Verwendungsweisen herausgearbeitet und deren empirische Fundierung kritisch reflektiert.
Ergebnisse
Im Zentrum steht die Frage, inwieweit sich aus Zusammenhängen in der Vergangenheit Generalisierungen für zukünftige Entwicklungen ableiten lassen. Die systemtheoretische Differenzierung zwischen einfachen, komplizierten, komplexen und chaotischen Systemen ist hier zentral. Wo eine Generalisierung auf zukünftige Situationen gerechtfertigt erscheint, ist zudem eine differenzierte Kategorisierung der beteiligten Faktoren erforderlich: in reine Prognosefaktoren, nicht beeinflussbare Kausalfaktoren und beeinflussbare Kausalfaktoren. Während alle diese Faktoren – bei ausreichender Generalisierbarkeit – fraglos prognostische Relevanz besitzen, eignen sich ausschließlich beeinflussbare Kausalfaktoren als Ansatzpunkte für präventive Interventionen.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die hier dargestellten Überlegungen mögen auf den ersten Blick trivial erscheinen und einem weitgehenden methodologischen Konsens unter empirisch Forschenden entsprechen. In der praktischen Umsetzung zeigt sich jedoch, dass diese Differenzierungen in der Forschungspraxis und insbesondere bei der Anwendung empirischer Erkenntnisse oft gar nicht bzw. nur sehr unzureichend berücksichtigt werden. Dies legt nahe, dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit den systemischen Voraussetzungen für Generalisierbarkeit, von Kausalitätsannahmen und mit der kategorialen Einordnung von Einflussfaktoren notwendig ist, um die wissenschaftliche und praktische Qualität suchtpräventiver Maßnahmen zu verbessern.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich erkläre, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.