Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2226

dg sps Symposium "Harm Reduction und Sucht" (S44), ID 2226

Menschenbild und ethische Implikationen von Harm Reduction

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Martin Wallroth (FH Münster/Fachbereich Sozialwesen)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Bezeichnet ‚Harm Reduction‘ eine Form der Krisenintervention für einen genau spezifizierten Personenkreis oder einen beliebig prolongierbaren Dauerzustand für einen tendenziell offenen Kreis von Personen? Je nach Antwort auf diese Frage ergeben sich höchst unterschiedliche Implikationen hinsichtlich des zugrunde gelegten Menschenbildes sowie hinsichtlich resultierender ethischer Folgerungen. Da an die Stelle dieser bedeutsamen analytischen Trennung in der Praxis spätestens dann de facto ein ‚slippery slope‘ tritt, wenn keine sehr klaren Regelungen getroffen werden, an wen und worauf genau Maßnahmen der ‚Harm Reduction‘ sich richten und wann und wie genau sie gegebenenfalls beendet werden sollen, besteht die Gefahr eines unbemerkten und unreflektierten Übergangs von einem Menschenbild zu einem anderen, der höchst problematische ethische Konsequenzen haben kann.

Methoden
Im Vortrag sollen die beiden Menschenbilder sowie ihre ethischen Konsequenzen kontrastierend beleuchtet werden, die aus der Konzeption von ‚Harm Reduction‘ als Form der Krisenintervention einerseits und als Form auf Dauer gestellter Betreuung und Versorgung für einen offenen Personenkreis andererseits idealtypisch resultieren, um durch diese Kontrastierung potentiell problematische Effekte hinsichtlich Menschenbild und ethischer Implikationen real praktizierter ‚Harm Reduction‘ in der Suchthilfe besprechbar und analysierbar zu machen.

Ergebnisse
Als Resultat des genannten Vorgehens ergibt sich, dass eine Fokussierung auf schleichende Veränderungen im Menschenbild und in der Ethik des Umgangs mit Adressat*innen der Suchthilfe möglich, dringend geboten und für die Überprüfung der eigenen Haltung als professionell Helfende fruchtbar ist.

Diskussion und Schlussfolgerung
Ein fahrlässiger Umgang mit dem Thema ‚Harm Reduction‘ im skizzierten Sinne läuft Gefahr, einer Therapeutisierung der Gesellschaft Vorschub zu leisten. Dass und warum dies weder allgemein gesellschaftspolitisch noch spezifisch mit Blick auf die Adressat*innen der Suchthilfe wünschenswert ist, soll abschließend aufgezeigt werden.

Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Wallroth, M. (2025). Menschenbild und ethische Implikationen von Harm Reduction. Deutscher Suchtkongress, 2(1), 2226. https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2226