Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2174
Ein „Paradoxes Stigma“ in der Fremdwahrnehmung von Patienten mit Cannabis Use Disorder – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage
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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Stigmatisierungen sind eine wichtige Barriere für die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten bei substanzbezogenen Störungen. Die vorgestellte Studie betritt Neuland, indem das Konzept des „paradoxen Stigmas“ für die Fremdwahrnehmung vorgestellt und exploriert wird. Damit sind Fremdzuschreibungen gemeint, in denen PatientInnen mit Cannabis Use Disorder unterstellt wird, dass sie konsumieren, weil der Konsum stigmatisiert ist.
Methoden
Es wurden Items zusammengetragen, die derartige Motive beinhalten könnten. Dazu gehören Fremdattributionen wie „X konsumiert, weil Cannabis verboten, cool“ ist, „weil X kein Spießer sein, dazugehören, rebellieren, anders als die anderen sein will“. Den 9 Items der adaptierten Version des Attribution Questionnaires (Corrigan et al., 2002 wurden diese sechs Items hinzugefügt. Die Attributionen wurden für die Beurteilung von zwei Fallvignetten (Konsumierende waren jugendlich/erwachsen) in einer web-basierten Umfrage an 1.603 Personen getestet.
Ergebnisse
Die exploratorische Faktorenanalyse ergab drei Faktoren für beide Vignetten, wobei sich die Faktoren „Mitleid“, „negative Emotionen/Zwangsbehandlung“ und „paradoxes Stigma“ trennen ließen. In konfirmatorischen Faktorenanalysen, die nach dem split-half Verfahren am gesamten Datensatz durchgeführt wurden, ergaben sich gute bis moderate Modellgüten (CFI > 0.9, SRMR < 0.08, RMSEA 0.06-0.08). Alle drei Faktoren klären über 60% der Gesamtvarianz auf, unabhängig vom Alter der Beurteilten.
Diskussion und Schlussfolgerung
Attributionen, die auf „paradoxe“ Stigmawirkungen als Ursache für eine Cannabis Use Disorder zielen, ließen sich als unabhängiges Attributionsmuster nachweisen. Danach konsumieren in der Fremdwahrnehmung sowohl junge als auch ältere Menschen auch deshalb, weil sie damit gegen Normen verstoßen wollen, keine Spießer oder cool sein wollen etc. Derartige Attributionen laden auf ein latentes Konstrukt, welches bisher in der Forschung wenig Beachtung fand. Es ist anzunehmen, dass derartige „paradoxe Stigmawirkungen“ durch den Legalstatus und die damit verbundene Gebräuchlichkeit von Cannabis in der Gesellschaft beeinflusst werden und vom Erfahrungshintergrund der UrteilerInnen abhängig sind.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Die Untersuchung wurde aus Forschungsmitteln der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter, Universitätsmedizin Rostock finanziert.