Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2171
Einbindung von Nutzenden in wirkungsorientierte Forschung am Beispiel der Evaluation eines Projektes zur Arbeitsmarktintegration
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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Wirkungsorientierte Forschung fokussiert häufig die Perspektive von Professionellen und Kostenträgern, während die Stimmen der Nutzer:innen wenig Berücksichtigung finden. Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Rehapro Bundesmodellprojekt ANDANTE, ein Angebot zur beruflichen Orientierung suchterfahrener Menschen, wurden Nutzer:innen in die Wirkungsbestimmung mit eingebunden. Ein besonderes Moment des Angebotes sind die Kombination aus einem nicht abstinenzorientierten Zugang und den rehabilitationsnaher Struktur, die von den Nutzer:innen als zentrale Qualität hervorgehoben wurde.
Methoden
Die Evaluation basierte auf einer ethnographischen Erhebung und qualitativer Interviews. Arbeits- und Lernprozesse im Projekt wurden eng begleitet, um Nutzer:innenperspektiven und subjektive Aneignungsstrategien differenziert rekonstruieren zu können.
Ergebnisse
Die ethnographischen Beobachtungen zeigen, dass Nutzer:innen insbesondere das produktive Tun, die Möglichkeit zur Fehlerkultur und das unmittelbare Feedback in einem realitätsnahen Arbeitssetting als unterstützend erleben. Die Arbeitsumgebung bei Andante ermöglicht eigenständiges Lernen und soziale Integration durch Verlässlichkeit sozialer Kontakte, Kooperation und gegenseitige Unterstützung. Die fehlende Abstinenzforderung wurde als entlastend erlebt und eröffnete neue Wege der Teilhabe, ohne Rückfallängste zu verstärken. Insofern bietet Andante eine ermöglichende Struktur, durch die ein wertschätzender und unterstützender Raum geschaffen wird, der Reflexion bezogen auf Konsum und Arbeitsperspektiven unterstützt. Zugleich ist diese ermöglichende Struktur aber auch voraussetzungsvoll, weil sich Adressat:innen auf diese einlassen müssen und diese aktiv in ihren Alltag einbauen müssen. Im Kontext einer Vielzahl stigmatisierender Erfahrungen und anderer alltäglicher Herausforderung ist dieser Schritt alles andere als selbstverständlich.
Diskussion und Schlussfolgerung
Die geringe Verbreitung solcher nicht-abstinenzorientierter Angebote verweist auf strukturelle Defizite bei den Kostenträgern (DRV, GKV), deren Förderrichtlinien stark abstinenzfixiert sind. Eine nutzer:innenzentrierte Wirkungsforschung muss die aktive Arbeit der Nutzer:innen, die besonderen Schutz- und Lernräume sowie die gesellschaftlichen Diskriminierungsprozesse berücksichtigen. So kann die kritische Reflexion über Nutzen und Wirkung Sozialer Arbeit vertieft und zukunftsorientierte Angebotsformate legitimiert werden.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Während der letzten 3 Jahre bestanden folgende wirtschaftlichen Vorteile oder persönliche Verbindungen, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten: Isabella Heilig ist als Geschäftsführerin von PlanB mit Verantwortlich für das Projekt Andante. Sie hat darüber hinaus keine persönlichen Vorteile durch die durchgeführte Forschung erhalten. Prof. Dr. Rebekka Streck hat die Forschung durchgeführt und keine persönlichen wirtschaftlichen Vorteile, durch die Forschung erhalten.
Erklärung zur Finanzierung: Die Studie wurde finanziert über Rehapro Projektgelder des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales