Deutscher Suchtkongress
Bd. 2 Nr. 1 (2025): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2025.2168
Hilfesuchende mit Opioidkonsumstörung: Eine latente Klassenanalyse auf Basis der Berliner Suchthilfestatistik
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Abstract
Hintergrund und Fragestellung
Menschen mit Opioidkonsumstörung sind erheblichen gesundheitlichen und sozialen Belastungen ausgesetzt. Trotz eines differenzierten Suchthilfesystems in Berlin ist unklar, ob die Hilfsangebote verschiedene Subgruppen gleichermaßen erreichen. Ein besseres Verständnis ist eine zentrale Voraussetzung, um die Versorgung gezielt und bedarfsorientiert weiterzuentwickeln. Ziel der Studie war es daher, Subgruppen hilfesuchender Personen mit Opioidkonsumstörung zu identifizieren und hinsichtlich soziodemografischer, klinischer und versorgungsbezogener Merkmale zu vergleichen.
Methoden
Die Analyse basierte auf anonymisierten Routinedaten der Berliner Suchthilfestatistik 2023. Mittels Latenter Klassenanalyse wurden Subgruppen unter Berücksichtigung komorbider Substanzkonsumstörungen und injizierendem Konsum identifiziert. Unterschiede zwischen den Gruppen wurden mittels Chi-Quadrat-Tests bestimmt; bei signifikanten Ergebnissen erfolgten paarweise Vergleiche.
Ergebnisse
Die Analyse umfasste 2.833 Personen mit Opioidkonsumstörung, die sich in drei Gruppen einteilen ließen: (1) primär Opioidkonsumierende (n = 1.381), (2) Personen mit multiplem Substanzkonsum (n = 709) und (3) Personen mit injizierendem Konsum (n = 743). Gruppe 1 zeigte keine ausgeprägten soziodemografischen oder klinischen Besonderheiten und nutzte sowohl niedrigschwellige als auch beratende Hilfsangebote. Gruppe 2 war durch eine vergleichsweise hohe soziale Stabilität gekennzeichnet (z. B. in Partnerschaft lebend, eigenständige Wohnsituation), nutzte vorwiegend Beratungsangebote und war am häufigsten in eine Substitutionsbehandlung eingebunden. Gruppe 3 nutzte primär niedrigschwellige Angebote und wies überdurchschnittlich häufig Merkmale wie Wohnungslosigkeit, Migrationshintergrund sowie positive HIV- und Hepatitis-C-Befunde auf.
Diskussion und Schlussfolgerung
Hilfesuchende mit Opioidkonsumstörung bilden eine heterogene Gruppe, die sich in Subgruppen mit unterschiedlichen Bedarfen gliedert. Für Gruppe 2 könnten flexiblere Regelungen in der Substitutionsbehandlung – etwa zur besseren Vereinbarkeit mit Erwerbstätigkeit und familiären Verpflichtungen – von besonderem Nutzen sein. In Gruppe 3 erscheint der Ausbau kultursensibler, mehrsprachiger Angebote sowie eine engere Verzahnung von Gesundheits- und Sozialdiensten zentral, um strukturelle Zugangsbarrieren zu reduzieren. Zusätzlich sollten hier Maßnahmen der Schadensminimierung (z. B. Spritzentausch, Naloxon-Programme, Drug-Checking) implementiert werden, um Mortalität und Infektionsrisiken wirksam zu senken. Für Gruppe 1 sind weiterführende Analysen erforderlich, um Bedarfe genauer zu erfassen.
Interessenskonflikte sowie Erklärung zur Finanzierung
Ich bzw. die Koautorinnen erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.
Erklärung zur Finanzierung: Diese Arbeit basiert auf der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) und der Berliner Suchthilfestatistik (BSHS), die durch bedingungslose jährliche Zuwendungen des Bundesministeriums für Gesundheit sowie durch zweckgebundene, bedingungslose Zuwendungen der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege (Förderkennzeichen: 2022_032_SenWGPG I) finanziert werden. Die Fördermittelgeber hatten keinen Einfluss auf die Studienplanung, die Analyse und die Ergebnisse.