Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1067

Stationäre Entwöhnung - und danach? (S54)

Änderungen bei der Therapiegestaltung in der Sucht-Rehabilitation während der SARS-CoV-2-Pandemie. Eine qualitative Befragung von Behandler:innen

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Friedericke Schall (Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin), Stefanie Köhn (Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin), Judith Stumm (Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin), Martin Brünger (Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Die SARS-CoV-2-Pandemie konfrontierte Einrichtungen der Sucht-Rehabilitation mit der Herausforderung, das Therapieangebot bei gleichzeitig bestmöglichem Schutz von Rehabilitand:innen und Personal vor einer Corona-Infektion aufrecht zu erhalten. Bislang liegen hierzu vorwiegend Einzel-Erfahrungsberichte aus der Anfangszeit der Pandemie und Analysen einer quantitativen Einrichtungsbefragung vor. Ziel dieses Beitrags ist es, pandemiebedingte Veränderungen an Reha-Konzept und Therapieangeboten in der Sucht-Rehabilitation anhand qualitativer Interviews mit Behandler:innen vertieft zu explorieren.


Methoden
Im Zeitraum 2021/2022 wurden Leitfaden-gestützte Interviews mit 26 ärztlich oder therapeutisch tätigen Behandler:innen aus Sucht-Reha-Einrichtungen per Video-Telefonie durchgeführt. Die Sampling-Strategie berücksichtigte verschiedene Leistungstypen (inkl. Adaption) und unterschiedliche Indikationsschwerpunkte (Alkohol/Medikamente vs. illegale Drogen). Hierbei wurden mehrere relevante Berufsgruppen einbezogen (11 Ärzt:innen, 5 Psycholog:innen, 10 Sozialpädagog:innen, meist mit suchttherapeutischer Zusatzqualifikation). Die Audioaufnahmen (mittlere Dauer: 59:54 Minuten) wurden nach Dresing und Pehl transkribiert und mithilfe der inhaltlich-strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet.


Ergebnisse
Je die Hälfte der Interviewpartner:innen war weiblich und männlich. Das mediane Alter lag bei 53,5 Jahren, die mediane Berufserfahrung in der Sucht-Rehabilitation bei 16,5 Jahren. Die Behandler:innen berichteten von erheblichen Anpassungen am therapeutischen Angebot während der Pandemie. Hierzu gehörten Gruppengrößenreduktionen, Verlagerungen ins Freie, fixe Kohortierung, Verzicht auf Indikativgruppen und die Umstellung auf telefonische oder videogestützte Einzel- und Gruppentherapie. Die Durchführung externer Arbeits- und Belastungserprobungen war stark eingeschränkt. Die Maskenpflicht, jedoch auch andere Infektionsschutzmaßnahmen wie Abstandsregeln und Lüften wurden überwiegend als negativ für die therapeutische Beziehung wahrgenommen, zugleich wandelte sich gemäß eigener Wahrnehmung das Rollenverständnis von Therapeut:innen.


Diskussion und Schlussfolgerung
Es zeigten sich deutliche pandemiebedingte Auswirkungen auf die Sucht-Rehabilitation bei der Ausgestaltung des therapeutischen Angebots. Dies wurde als herausfordernd für die therapeutische Beziehung wahrgenommen. Telefonische bzw. digitale Therapien ermöglichten es, die therapeutische Beziehung auch bei erkrankten bzw. in Quarantäne befindlichen Rehabilitand:innen aufrecht zu erhalten. Zugleich wurden telefonische bzw. digitale Angebote als Chance für die Weiterentwicklung der Sucht-Rehabilitation begriffen, beispielsweise um bislang unzureichend adressierte Gruppen von Betroffenen zukünftig besser erreichen zu können.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: DRV-Bund

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Schall, F., Köhn, S., Stumm, J., & Brünger, M. (2023). Änderungen bei der Therapiegestaltung in der Sucht-Rehabilitation während der SARS-CoV-2-Pandemie. Eine qualitative Befragung von Behandler:innen. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1067