Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1050

Der Komplexität von Sucht gerecht werden: Potentiale und Herausforderungen qualitativer Interviewstudien im Feld der Suchtforschung (S50)

Die Diamorphin-gestützte Substitutionstherapie aus Klient*innenperspektive. Eine qualitative Interviewstudie in zwei deutschen Diamorphinambulanzen

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Zoe Friedmann (Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin), Inge Mick (Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin), Hans-Tilmann Kinkel (Praxiskombinat Neubau, Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin, Berlin), Andreas Zsolnai (Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin Stuttgart, Stuttgart), Claudia Kühner (Schwerpunktpraxis für Suchtmedizin Stuttgart, Stuttgart), Annette Binder (Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
Die supervisierte injizierbare Opioid-Substitutionstherapie (SIOT) mit Diamorphin ist ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von Menschen mit Opioidabhängigkeit, die nicht ausreichend von oraler Substitution profitieren. Obwohl die Therapie in verschiedenen Studien für effektiv befunden wurde, besteht bislang wenig Akzeptanz und Aufmerksamkeit für die SIOT und der geschätzte Bedarf in Deutschland wird momentan nicht gedeckt. Das Ziel dieser Studie ist die Bewertung der SIOT aus der Perspektive von Menschen, die mit einer Opioidabhängigkeit leben. Besonderes Interesse liegt auf Hürden und Enablern von Therapieinitiierung und -aufrechterhaltung sowie praxisorientierten Vorschlägen zur langfristigen Verbesserung der SIOT.


Methoden
Vorbereitend wurden in einer Fokusgruppe Zielsetzung, Methodik und Interviewleitfäden der Studie diskutiert. Im Hauptabschnitt der Studie wurden 34 Menschen, die mit einer Opioidabhängigkeit leben, in zwei SIOT-Ambulanzen in Deutschland semi-strukturiert interviewt (momentan in SIOT N=23; momentan in oraler Substitutionstherapie N=11, davon N=4 mit Erfahrungen in SIOT). Die Transkripte wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (nach Kuckartz) induktiv ausgewertet und konsensuell kodiert. Der gewählte explorative, Hypothesen-generierende Ansatz erlaubte es, auch unerwartete Aspekte in die Analyse mit einzubeziehen.


Ergebnisse
Teilnehmende beschrieben die intravenöse Applikation, Diamorphin als Wirkstoff und tägliche Praxisbesuche in der SIOT sowohl als Hürden als auch Enabler von Therapie-Initiierung und -Aufrechterhaltung. Dementsprechend bezogen sich Verbesserungsvorschläge vonseiten der Teilnehmenden primär auf eine Flexibilisierung und Individualisierung der SIOT, beispielsweise durch alternative Applikationsformen des Diamorphin.


Diskussion und Schlussfolgerung
Intra- und interindividuelle Ambivalenzen stellen zentrale Herausforderung für die erfolgreiche Implementierung der SIOT dar. Diese Komplexitäten können in klassischen quantitativen Therapieevaluationen nur schwer abgedeckt werden, müssen aber zur Verbesserung der Substitutionsbehandlung in Deutschland berücksichtigt werden. Hierbei sind insbesondere die Flexibilisierung und Individualisierung vorherrschender Therapieregime vielversprechend.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Während der letzten 3 Jahre bestanden folgende wirtschaftlichen Vorteile oder persönliche Verbindungen, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten: ZF ist Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes. HTK hat in der Vergangenheit Referentenhonorare von Accente BizzComm GmbH, AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG und GILEAD Sciences GmbH sowie Konferenz- und Reisekostenerstattungen von GILEAD Sciences GmbH erhalten.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Friedmann, Z., Mick, I. ., Kinkel, H.-T., Zsolnai, A., Kühner, C., & Binder, A. . (2023). Die Diamorphin-gestützte Substitutionstherapie aus Klient*innenperspektive. Eine qualitative Interviewstudie in zwei deutschen Diamorphinambulanzen. Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.1050