Deutscher Suchtkongress
Bd. 1 Nr. 1 (2023): Deutscher Suchtkongress
https://doi.org/10.18416/DSK.2023.905

Trends in der Suchthilfe (S12)

Über die Zunahme von Polytoxikomanie im Kontext rückläufiger opioidbezogener Störungen in der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS)

Hauptsächlicher Artikelinhalt

Monika Murawski (IFT Institut für Therapieforschung, München), Alisa Stampf (IFT Institut für Therapieforschung, München), Larissa Schwarzkopf (IFT Institut für Therapieforschung, München)

Abstract

Hintergrund und Fragestellung
In ambulanten deutschen Suchthilfeeinrichtungen haben Störungen in Folge des Konsums anderer psychotroper Substanzen/Polytoxikomanie (ICD-10: F19) als Hauptdiagnose seit 2017 anteilsmäßig zugenommen. Zugleich ist der Anteil an opioidbezogenen Störungen (ICD-10: F11) rückläufig. Unklar ist, inwieweit eine verstärkte Kodierung polytoxikomaner Störungsbilder (F19) in der Klientel mit Opioidkonsumstörungen („Verschiebung“) diese gegenläufigen Trends in der DSHS erklären könnte.


Methoden
Auf Basis von Aggregatdaten aller an der DSHS teilnehmenden ambulanten Suchthilfeeinrichtungen wurden Trends der Anteile der Hauptdiagnosen F11 und F19 über die Jahre 2017-2021 deskriptiv und anschließend mithilfe von Jointpoint-Regressionen inferenzanalytisch untersucht und vergleichend gegenübergesellt. Zudem wurde um die Einzeldiagnose F11 in den mit Polytoxikomanie kodierten Fällen korrigiert, um eine mögliche Kompensation opioidbezogener Störungen durch die Hauptdiagnose Polytoxikomanie zu explorieren.


Ergebnisse
Während der Anteil an Betreuungsfällen mit Opioidproblematik seit 2017 signifikant (alpha < 5 %) zurückgegangen ist (2017: 13 % vs. 2021: 9 %; -28 %), kam es bei Störungen aufgrund anderer Substanzen/Polytoxikomanie zu einem signifikanten Anteilszuwachs (2017: 2 % vs. 2021: 5 %; +155 %). Bei Berücksichtigung des Anteils opioidbezogener Störungen innerhalb der Klientel mit Polytoxikomanie ist ein weniger starker Rückgang zu beobachten (2017: 14 % vs. 2021: 11 %; -21 %).


Diskussion und Schlussfolgerung
Der sinkende Anteil an Fällen mit Hauptdiagnose Opioidkonsumstörungen in der ambulanten deutschen Suchthilfe lässt sich augenscheinlich nicht allein auf Verschiebungen im Zuge einer vermehrten Dokumentation von polytoxikomanen Störungsbildern zurückführen. Allerdings ist eine Verschiebung in weitere Hauptdiagnosen möglich. Da die Anzahl gemeldeter substituierter Personen in Deutschland gestiegen ist, ist grundsätzlich nicht von einer rückläufigen Prävalenz von Opioidkonsumstörungen auszugehen. Demnach ist auch eine Verschiebung der Opioidklientel aus der Suchtberatung in andere Versorgungsstrukturen denkbar. Um die Versorgung verschiedener Klientelgruppen in der Suchthilfe besser erfassen zu können, ist eine differenziertere Erfassung der Hauptdiagnose Polytoxikomanie bezüglich der zugrundeliegenden Substanzen für die anstehende Revision des Kerndatensatzes zu diskutieren.


Offenlegung von Interessenskonflikten sowie Förderungen
Ich und die Koautorinnen und Koautoren erklären, dass während der letzten 3 Jahre keine wirtschaftlichen Vorteile oder persönlichen Verbindungen bestanden, die die Arbeit zum eingereichten Abstract beeinflusst haben könnten.


Erklärung zur Finanzierung: BMG

Artikel-Details

Zitationsvorschlag

Murawski, M., Stampf, A., & Schwarzkopf, L. (2023). Über die Zunahme von Polytoxikomanie im Kontext rückläufiger opioidbezogener Störungen in der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS). Deutscher Suchtkongress, 1(1). https://doi.org/10.18416/DSK.2023.905